Späte Schwangerschaft – Mutterglück mit Risikofaktor?
Die älteste Schwangere, die Professor Dr. Christian Breymann als Leiter der Gynäkologie & Geburtshilfe Seefeld und des Instituts Perinatal in Zürich betreut hat, war 55 Jahre alt.
Auch wenn Schwangerschaften und Geburten in diesem Alter selten sind, zeigt der Trend ganz klar nach oben, erklärt Prof. Breymann: „Das Durchschnittsalter der Frauen, die mit ihrem ersten Kind schwanger sind, ist mittlerweile auf 35 plus gestiegen. Und die Zahl der Spätgebärenden nimmt beständig zu.“
Ab 35 fällt die Fruchtbarkeitskurve steil ab
Wenn Frauen mit Ende 30, Anfang 40 schwanger werden, dann sei das schon ein grosses Glück, berichtet der Geburtshilfespezialist Prof. Breymann. Ab einem Alter von 35 Jahren fällt die Fruchtbarkeitskurve steil ab. Problematisch, so Prof. Breymann, sei vor allem die biologische Qualität der Eizellen, die mit zunehmendem Alter abnimmt: „Bei Frauen über 40 sind 30-50 % der Eizellen nicht mehr entwicklungsfähig, das heisst befruchtbar.
Einerseits aufgrund von genetischen Fehlanlagen in der Eizelle, andererseits aufgrund von ungünstigen biochemischen Faktoren, die die Entwicklung zum Embryo negativ beeinflussen. Neben dem mütterlichen Alter spielt auch das Alter des Partners eine wichtige Rolle. Auch wenn Ausnahmen wie Charlie Chaplin oder Rolling Stones–Sänger Mick Jagger jeder Statistik widersprechen, spielt auch die abnehmende Qualität der männlichen Spermien eine entscheidende Rolle. Das Risiko, dass nachteilige genetische Veränderungen bei den Spermien auftreten, ist deutlich grösser als bei jüngeren Vätern.
Selbst bei jüngeren Paaren mit Kinderwunsch dauert es in der Regel ein Jahr bis tatsächlich eine Schwangerschaft eintritt. Ältere Paare sollten sich möglichst nach 6, spätestens aber nach 12 Monaten beraten lassen, sofern eine Schwangerschaft nicht auf natürlichem Wege herbeigeführt werden kann. Im besten Fall, wenn die Frau gesund ist und einen regelmäßigen Zyklus hat, genügt die Verabreichung von Hormonen, um einen Eisprung geeigneter Zellen auszulösen und eine Befruchtung herbei zu führen.
In schwierigeren Fällen ist auch eine In-Vitro-Fertilisation möglich (IVF), die Befruchtung von entnommenen Eizellen im Reagenzglas. Die Erfolgsrate beim ersten Versuch liegt hier bei etwa 30 Prozent. Häufiger kommt mittlerweile die ICSI-Methode zum Einsatz: Bei der „Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion“ (ICSI) wird eine einzelne Samenzelle direkt in eine Eizelle injiziert, die zuvor dem Eierstock der Frau entnommen wurde.
Jede zweite Schwangerschaft wird als Risikoschwangerschaft eingestuft
Schwangerschaften, bei denen die werdende Mutter 35 Jahre alt oder älter ist, gelten in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Risikoschwangerschaften. Mittlerweile trägt fast jeder zweite Mutterpass diesen Vermerk. Gerade bei Frauen über 40 kommt es zunehmend zu Problemen in der Schwangerschaft, die sowohl Mutter als auch Kind betreffen. Je älter die werdende Mutter ist, desto höher ist das Risiko für eine Gestose („Schwangerschaftsvergiftung“), Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Trisomie (u.a. Down-Syndrom) oder Früh-, bzw. Totgeburten. Wie risikoreich eine Schwangerschaft tatsächlich ist, hängt für Prof. Dr. Breymann von zwei wesentlichen Faktoren ab: „Erstens, ob eine Erst- oder Folgeschwangerschaft besteht und zweitens, wie sich der allgemeine Fitness- und Gesundheitszustand der Frau darstellt.
Hat sie eine sportliche Konstitution und keine nennenswerten Erkrankungen oder hat bereits ohne Komplikationen ein Kind geboren, stellt auch eine Schwangerschaft bei einer 40-jährigen aus meiner Sicht zunächst mal kein Problem dar.“ Dennoch empfiehlt er bei allen älteren Müttern eine engmaschige Betreuung und Begleitung in der Schwangerschaft. Um den belasteten Eisen- und Vitaminhaushalt auf einem guten Niveau zu halten, hat Prof. Breymann sogar eine eigene Produktlinie (Prof. Breymann Womens Ortholine Microcare™) entwickelt. Zusätzliche Sicherheit geben spezielle Kontrolluntersuchungen, z.B. des Fruchtwassers oder der Durchblutung der Plazenta bzw. der Blutgefäße des Fötus mittels sogenanntem Doppler-Ultraschall.
Ein höheres Risiko tragen ältere Schwangere, die bereits bei einer früheren Schwangerschaft oder Geburt Komplikationen hatten oder die an Diabetes, Nierenproblemen oder cardio-vaskulären Erkrankungen leiden. In Abstimmung mit den behandelnden Fachärzten ist hier beispielsweise eine genaue Einstellung des Hormon- bzw. Insulinbedarfs notwendig.
Durch regelmässige Kontrollen Ängste abbauen
Wichtig ist Prof. Breymann auch, seine Patientinnen vor „gefährlichem Halbwissen“ zu bewahren. Er warnt besonders vor zweifelhaften Internetforen und selbsternannten Ratgebern, die nur zu Hysterie und Panik führten: „Ihr Arzt wird alles tun, um Sie sicher und gesund durch Ihre Schwangerschaft zu begleiten, bis Sie ihr Kind in den Armen halten.
Bei allen Kontrollen und Aufklärungsgesprächen darf eines nicht in Vergessenheit geraten: Eine Schwangerschaft sollte eine schöne Zeit voller Vorfreude sein. Wenn sich die Frau nonstop Sorgen macht, ist das keine gute Ausgangssituation für eine unbeschwerte Mutter-Kind-Beziehung. Egal ob die werdende Mutter 20 oder 45 Jahre alt ist: Wir Ärzte müssen versuchen, ihr die Schwangerschaft so angenehm und ruhig zu gestalten, wie möglich. Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen: In vielen Fällen läuft bei intensiver Betreuung von älteren Schwangeren alles gut. “
So auch im Fall der 55-jährigen Patientin von Prof. Breymann. Am Ende einer nicht ganz unkomplizierten aber schließlich doch glücklichen Schwangerschaft kam die kleine Dorothea mit einem Gewicht von 3250 g nach Kaiserschnitt gesund auf die Welt.